Bericht von den Oberammergauer Passionsspielen 1930

"Heute ist der große, langersehnte Tag, an dem ich nach Oberammergau fahre. Um 7 Uhr morgens bringt mich der Eilzug ans Ziel. [...] Zu allem Unglück regnet es, was vom Himmel herunter will. Trotzdem schlendere ich durch den Ort, und betrachte die herrlichen villen der Passionsdarsteller. Das Haus Anton Langs hat es mir besonders angetan. In einem hübschen Kaffe bestelle ich mir (Kaffee) ein Frühstück. Der Schrecken, wie es ans Bezahlen geht. Ich sehe mein Geld dahinschmelzen und fange auf einmmal an zu begreifen, warum mein Großvater die Oberammergauer "Oberammergauner" zu nennen pflegt [...]


Die erste Scene, die ich sehe: Vor der Mittelbühne steht der Prologsprecher mit seinem großen Gefolge. Die zweite Scene, die ich sehe, ist die Gruppe der Hohenpriester. Sie beraten, wie sie Jesus am besten verklagen. Herrlich wirkt die Scene: Jesus vor Pontius Pilatus. In wunderbarer Hoheit steht Jesus vor dem stolzen Römer in der roten Tunika. Die Kreuzigungsscene ist grausig. Über dem umfänglich im Sonnenglanz liegenden Jerusalem steigt langsam eine dunkle Wolkenwand auf, Blitze leuchten, weiße Mauern stürzen ein, man hört den dumpfen Klang fallender Steine. Das Bild der Kreuzigung werde ich nie vergessen. Ich kann es nicht beschreiben; es würde profan wirken."