Gedicht - Der Bettler

Da draußen hat es geklingelt. - Es kommt wohl noch Besuch zu mir?

Flink eilende Kinderfüße sind sehr schnell an der Vorplatztür.
Das blonde Brigittchen öffnet und erblickt einen fremden Mann,
Er bittet um eine Gabe, - Das Kind siehet das Leid ihm an.

Sein Herzchen ist wohl ergriffen, - noch ganz unbewußt von der Not.
Es kommt zu mir in die Küche und verlanget ein Stückchen Brot.
Es flüstert mit leiser Stimme: "Ein Bettler steht da vor der Tür.
Darf ich ihm wohl etwas geben? Er war so sehr freundlich zu mir."

Ich schnitt eine dicke Stulle und gab ihm ein Geldstück dazu.
Rasch eilt es damit zur Türe und öffnet sie freudig im Nu!
Es schauet mit blauen Augen und lachendem Munde ihn an,
Und reichet ihm Brot und Groschen: "Da, - nimm hin, - lieber, alter Mann."

Da bricht von des Mannes Lippen ein Dank, wie ich nie ihn gehört.
So, - als sprängen Eisesrinden, die bis dahin sein Herz beschwert.
Ich sah eine Träne rollen - hin, über sein altes Gesicht;
Noch einmal murmelt er: "Danke!" In den Augen ein frohes Licht.

Er schauet noch ganz verloren in das Kinderauge hinein,
Das zu ihm ist aufgeschlagen, gar so inniglich und so rein.
Stumm wendet er sich zum Gehen, an Worten es ihm wohl gebrach;
Langsam erreicht er die Treppe. Ganz ergriffen blick' ich ihm nach.

Das Kind aber ruft voll Freude: "Hast Du es auch eben geseh'n?
Der Bettler, - wie war er glücklich! Und wie sagte er - Danke schön!"

Für mein Brigittchen gemacht.
Tante Mile