Beruhigende Worte an die Eltern bei Kriegsausbruch
-
Tacitus -
July 19, 2020 at 12:01 AM -
999 Views -
0 Replies
QuoteIch vernahm aus Euren beiden Briefen, daß Ihr sehr trostlos seid; ich kann es Euch gar nicht verdenken; jedoch müßt in Erwägung nehmen, daß ich bei einer Waffengattung bin, die nur in Folge ungünstiger Zufälle ins Feuer kommen kann, denn unsere Gewehre sind gar nicht dazu eingerichtet, daß wir uns vertheidigen könnten, weil es Gendarmeriegewehre sind...
[...]Innigstgeliebte Ältern! Die 2 Packete erhielt ich beide ganz richtig u. Zwar so wie Ihr in Eurem werthen Briefe vermuthetet. Nämlich das 1. am Montag Mittag, das 2. am Dienstag Mittag. Ich vernahm aus Euren beiden Briefen, daß Ihr sehr trostlos seid; ich kann es Euch gar nicht verdenken; jedoch müßt in Erwägung nehmen, daß ich bei einer Waffengattung bin, die nur in Folge ungünstiger Zufälle ins Feuer kommen kann, denn unsere Gewehre sind gar nicht dazu eingerichtet, daß wir uns vertheidigen könnten, weil es Gendarmeriegewehre sind; deshalb haben wir stets Bedeckung; bestehend aus Infanterie, Cavalerie, u. Artillerie bei uns, u. könnt Ihr Euch mit der guten hoffnung trösten, daß mir nicht leicht etwas passieren kann. Mir war es immer um den Gottfried, denn die Jäger müssen immer als Plänkler vor u. dabei werden sie oft ordentlich weggeputzt. Heute nun bekam ich ebenfalls von Ihm ein Brief, u. er schrieb mir daß er zur Feldmetzgerei kommt, was ich aus eurem Briefe ebenfalls entnahm. Bei diesem Geschäfte kann er sich sogar noch einiges Geldverdienen, wenn er es schlau anpackt, u. Da fehlt es bei Ihm nicht leicht. Ich kann Euch daher liebe Ältern mit gutem herzen versichern, daß Ihr Euch mit den besten Hoffnungen trösten könnt; denn zum besseren Troste will Euch noch mittheilen, daß 1866 ein einziger Mann vom ganzen Regimente in Folge eines Schußes umkam. Eben so kann ich mir ganz leicht denken, daß es in Augsburg bei dieser Gelegenheit sehr frequent mit Militär zugeht, was Euch das Herz erst erschwert. In Ingolstadt rührt sich weder auf der Bahn, noch der Stadt selbst, nicht viel vom Kriege. Es wartet ein Jeder ganz geduldig auf die kommende Marschbereitschaft, welche aber bis zur Stunde noch nicht erfolgt ist. Eine Abtheilung von 60 Mann ist wohl am Sonntage von unserm Rgt. Abmarschirt zur Verstärkung der Brückenwache in Germersheim; Ich bitte Euch daher nochmals liebe Eltern schalgt Euch die schweren Gedanken so viel als möglich aus dem Sinn, den ganz will ich nicht sagen, weil ich Euren zu stark besorgten Sinn für uns beide kenne. Wir werden mit Gotteshilfe uns wieder gesund und glücklich sehen. Wenn wir ausmarschiren mache ich es Euch liebe Ältern mittelst ein paar Zeilen kund, bis jetzt weiß ich wie oben schon erwähnt noch nichts davon. Ebenso verspreche ich Euch liebe Älter, wenn wir auf dem Marsche sind, so oft als es nur Gelegenheit giebt, Euch zu schreiben. Es ist aber das drittemal, daß ich an diesem Briefe anfange, welchen Ihr mit Schmerzen wartet, denn Präsant haben wir jetzt immer; deswegen kann es doch noch 8 Tage anstehen bis wir weiter kommen, was ich erst heute Mittag wieder vernehme. Jetzt will ich mit dem Trösten aufhören, denn es geht mit Gotteshilfe immer besser als man glaubt...[…]
- Briefe
- Sorgen
- Krieg
- Ängste
- Deutsch-Französischer Krieg
- 1870er
- Soldat
- Feldpost
- 1870
- Eltern
- Ingolstadt
- Augsburg
- 19. Juli 1870