Gedicht - Zur Weihnachtsfeier der 9. Batterie

"Weihnachten 1939 am Westwall.


Von dem Gefreiten Gottfried K..


Ich komme von weit, weit draussen her

und meine Last, die drückt gar sehr.

Zudem hab' ich mich auch noch verlaufen

und muss deshalb erst ein bissel verschnaufen.


Denn als ich die Himmelspforte verliess

und die Türe verschloss zum Paradies,

da sagte der himmlische Doppelposten:

„Die Brüder der Neunten sind noch im Osten!“

So wandert ich Tag für Tag fürbass

und suchte und suchte ohn' Unterlass

bis Nowa Zielonks und zurück nach Klomnice,

hier traf ich endlich einen freundlichen Vice,

der hilfreich die erste Auskunft mir gab:

„Hier lag die Siebte, die Achte, der Stab;

doch drei Stunde weiter, im Dreck dahinten,

könnt' ich vielleicht noch die Neunte finden“.


Allein umsonst - - in all meiner Not

telegrafiert' ich verzweifelt zum lieben Gott.

Die Antwort kam rascher als ich gedacht

und besagt: „Noch heute in dieser Nacht

eile und wandre gen Zschenstochau

zum Bilde der schwarzen heiligen Frau!“

Und als ich totmüde dort angekommen

und die heilige Messe der Mönche vernommen,

hebt sich der Schleier am Altar.

Da wurd' ich ein Lächeln der Jungfrau gewahr

und ich glaubte, ich habe die Heilige verstanden:

Deine Soldaten sind jetzt im westlichen Landen,

die Heimat zu schützen in großer Not!

Da schlich ich von dannen und dankte Gott.

Durch die weite Heimat schritt ich nun,

und Gott weiß es, ich hatte reichlich zu tun.

Es sind doch ziemliche Kilometer

und pünktlich erwartet den Weihnachtsmann jeder!

Da bin ich doch beinahe in meiner Hast

übern vordersten Graben nach Frankreich gerast!

Man grüßte schon: „Salue mon chère!“

Aber diese Sprache liegt mir nicht sehr.

Und so machte ich auf der Hinterhand kehrt,

dabei sah ich, wie man im Simonschacht beschert.

Mein Gott, was hab' ich da gelacht,

jeder hat selber Weihnachtsmann gemacht!

Ein Kinderwagen stand da, und ein Grammophon...

dazwischen rasselt' das Telefon:

Die Leuchtkugelmeldung verlangt man vom Potsen.

Er sucht am Himmel und blickt nach Osten,

dann sagt er, heut' ist die heilige Nacht,

die einst den Menschen Frieden gebracht.

Und zum Zeichen der Geburt des Herrn

leuchtet heut' nur der Weihnachtsstern!

Lächelnd bin ich davon geschritten

und bin nun glücklich in Eurer Mitten;

Nach qualvollen Nächten, Tagen und Stunden

hab' ich Euch endlich aufgefunden.

Ich soll Euch Grüße vom Christkind bringen!

Und nicht zu vergessen vor allen Dingen

bat mich unter tausend himmlischen Küssen

die heilige Barbara, Euch zu grüßen!

Seit tausend Jahren betet sie schon

für Kanoniere, vor Gottes Thron.

Und auch der liebe Gott läßt Euch sagen,

wenn Jhr tapfer Euch haltet in diesen Tagen

kameradschaftlich schliesset entstandenen Lücken,

so krönt Euch am Ende doch der Sieg,

und Friede folgt unseligem Krieg!


Und wenn nun die Glocken die Weihnacht läuten,

dann schauet im Geiste verheißene Zeiten,

in denen die Menschheit, erlöst von den Sünden,

wird ewigen Weihnachtsfrieden finden. -

Nun will ich aber nicht länger säumen

und endlich anfangen auszuräumen;

denn ich hab' vieles mitgebracht

und das Christkind hat an Jeden gedacht!

Drum soll Jeder von Euch ein Los sich wählen,

ich hoff', es wird sich keiner verzählen,

damit such alle ihr Päckchen erhalten! -

Und nun laßt uns fröhliche Weihnacht halten.

- - -"