Lange, lange nach dem Kriege
Im geeinten Europa herrscht tiefer Frieden. Alle Kasernen sind in Jugendherbergen verwandelt. Keine Soldatenstiefel klappern mehr über das Pflaster, denn selbst aus Sibirien und Alaska sind die Truppen schon seit Jahren zurück. Unser Führer und seine Getreuen geniessen nach rastloser Tätigkeit ihren wohlverdienten Lebensabend. Nun haben Sie die Zeit, vom Fenster aus das friedliche Leben ihres Volkes zu betrachten. Plötzlich biegt um die Ecke ein langer Zug. Voran Militärmusik aus alter Zeit, dahinter Männer mit langen, weissen Bärten. Sie schieben alle möglichen Karren vor sich her, vollbepackt mit Fischkonserven, Heringstonnen und Silberfüchsen, andere führen Lebertran oder Felsblöcke (Findlinge) bei sich als Erinnerungsstücke und Andenken. Ängstlich scheuen sie vor jedem Auto. Der führer kann sich den Aufzug der eigenartig bepackten Männer nicht erklären, und wendet sich an den Reichsmarschall: „Sie tragen zwar teils unserer alten, ruhmreichen Wehrmacht an ihrer Uniform, aber ich kann mich nicht auf Skistiefel, bunten Hemden, fausthandschuhe und Pullover entsinnen!“ Auf die Frage: „Von wo kommt Ihr?“ zuckte der Angesprochene erschreckt zusammen, klappt seinen zahnlosen Mund auseinander und wird verlegen wie ein 40 Jähriges Jungfer-Fräulein, das einen unanständigen Witz gehört hat. Ein anderer der gefragt wurde, lallte: „Forsta-ikke!“ (verstehe ich nicht). Nach Urlaub u.s.w. Gefragt, nimmt er Norwegische-Grundstellung ein, d.h. Er steckt die Hände bis zu den Ellenbogen in die Tasche, kaut an einem Stück Klippfisch und meint dazu: „Ein alter Obergefreiter starb, hat lange Jahre von dem Wort „Urlaub“ geschwärmt, wir selber wissen nicht was das ist!“ Entsetzt beugt sich Hermann Göring zurück, und sagt zum Führer „Mein Gott, mein Gott, wir haben doch da in ersten jahre des Europäischen Krieges ein blitzartiges Unternehmen in Norwegen durchgeführt. Sollten wir vergessen haben, dies Männer abzulösen? Es wäre ja leicht möglich, da in dieser Richtung keine Urlaubstransporte liefen! Auf dem Alexanderplatz war es nicht möglich, die Heimatadressen der Heimkehrer zu ermitteln, da die Angehörigen längst verstorben waren. Man schickte die Leute dann schliesslich in die Alpen, wo sie nach ihren angenommenen Gewohnheiten leben konnten.
Die deutsche Sprache aber haben sie wegen ihres hohen Alters nicht mehr erlernt, und sind mit der Zeit an Ölsardinenmangel verstorben.
Berlin, im späten 20. Jahrhundert.