Tagebucheinträge vom 9. bis zum 12. November 1918 aus Kiel

"9. November. +++ Ein schwarzer, schwarzer Tag für unser schönes Deutschland unser Kaiser hat seine Krone lassen müssen. Wir haben keinen Kaiser mehr. Armer Wilhelm das ist Deines Volkes Dank. Gejubelt haben sie sonst wenn der Kaiser kam und jetzt - wie ein Verbrecher wird er verjagt. Was hast Du alles für Deine Marine getan und was ist der Dank? Meuterei. Alles, alles wäre gut geworden, die Waffenstillstandsverhandlungen waren eingeleitet, da versagt Dein Heer und die Marine.

Welch ein Hohn liegt in dem Lied: Heil Dir im Siegerkranz. Fühl in des Trones Glanz die hohe Wonne ganz "Liebling" des Volkes zu sein.

Schnöder bist Du behandelt, doch ich hoffe, die Strafe bleibt nicht aus. Ich glaube nicht, daß dieser T. und S. Kat von langer dauer ist, das wäre ja Wahnsinn, wo bliebe da die Gerechtigkeit?

10. November. Die Waffenstillstandsbedingungen sind eingetroffen. Nach Deutschland wollen die Franzosen hinein, und was sie sonst alles veralngen, es wäre ja Wahnsinn das anzunehmen. Bis morgen mittag soll alles unterzeichnet sein. Prinz max von Baden und der ganze Reichstag sind gegangen, Ebert, früher Sattler, ist Reichskanzler. Auf dem Schloß weht die rote Flagge. Von dem Balkon des Schlosses, von dem der Kaiser 1914 an sein Volk sprach: ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche, hat Liebknecht an "sein Volk" geredet. Scheidemann hat von der Terrasse des Reichskanzlerpalais die Republik ausgerufen. - Unser armer Kaiser ist in Holland und muß in der Fremde um eine Unterkunft betteln. Die Kaiserin ist schwer krank in Potsdam, es kostet sie gewiß das Leben. Man sollte denken, die ganze Welt ist aus den Fugen geraten.

11. November. Die Waffenstillstandsbedingungen sind angenommen. Armes Deutschland was wird aus Dir. Abgesetzt sind:

Der König von Bayern.

Der König von Sachsen.

Der Großherzog von Baden.

Der Großherzog von Oldenburg.

Der Herzog von Braunschweig.

Der Herzog von Württembegr.

Der Großherzog von sachsen-Weimar.

Prinz Reuß.



Es müßte ein Staat für abgesetzte Fürsten aufgerichtet werden, denn was gedenkt sonst der T. und S Kat mit ihnen zu tun. Der Jammer, daß ein Fürst vor seinen eigenen Untertanen fliehen muß, und das in dem aufgeklärten Deutschland. Früher war man stolz eine Deutsche zu sein, jetzt muß man sich schämen vor der ganzen Welt.



12. November. Deutschland bittet um Frieden, da es sonst verhungert. Das ist das Resultat unseres Siegeszuges, wir haben uns tot gesiegt. Ihr Toten, die ihr den Heldentod für Kaiser und Reich erlitten habt, ihr ruht gut, ihr seid im glanz unseres Vaterlandes gefallen, aber ein Jammer um die letzten, die noch jetzt fallen, oder an den erlittenen Wunden sterben, denn wofür sterben sie? Für den Zerfall des Reiches. Man kommt unwillkürlich auf den gedanken, ja gibt es den überhaupt noch einen Gott? Wir sind überfallen und liegen geknebelt am Boden, und die uns überfallen sind die Sieger. Aber wiederum, wen Gott liebt, den züchtigt er. Gott weiß warum er es tut."