Vergnügter Tag wird durch "Schlacht bei Mars-la-Tour" unterbrochen

Zitat

...wo der Wirth unsre Feldflaschen mit Wein füllte. Mich mit Ersterem in ein Gespräch einlaßend, kamen wir auf die gegenwärtigen Verhältniße zu sprechen und Jener suchte mich auf alle mögliche Art und Weise zu überzeugen, daß nur der Kaiser Napoleon mit seinen Räthen, nicht aber das Volk Frankreichs an diesem unglückseligen Kriege die Schuld trügen, und - setzte er mit funkelden Augen und zusammengepreßten Fingern hinzu, - wenn es Ihnen möglich ist, diesem Hund von Bonaparte die Gurgel abzuschneiden oder ihm eine Kugel durch den Kopf zu jagen, so sollen Sie diesen ganzen Weinkeller, und was Sie hier sehen, das Ihrige nennen können! Ich mußte ihn die Hand darauf geben welche er krampfhaft drückte und versprach, mein Möglichstes zu thun...

"Dienstag den 16. August. Morgens 6 Uhr waren wir marschfertig und rückten dann über eine von unsern Pionieren über die Mosel geschlagene Schiffsbrücke in die Stadt Pont-a-Moußon ein. Unser 1stes und Füselier=Bataillon marschirten nebst vielen andern Regimentern der 2ten Armee durch die Hauptstraße weiter nach Metz zu und dem 2ten Bataillone wurde zu unsrer nicht geringen Freude der Auftrag, diese Stadt bis auf Weiteres zu besetzen. [...] Das Glück, in einer größeren lebhaften Stadt einquartirt zu werden, schätzte ich um so höher, als ich seit langer Zeit in keinem anstänidgen Hause gewohnt hatte, auch mir Hoffnung machte, für Geld mir einige Lebensmittel und geistige Getränke verschaffen zu können. Von meinem Zugführer wurde mir in einem großen vierstöckigen, prachtvoll gebauten Hotel die Beletage überwiesen, wo ich 20 Mann unterzubringen hatte [...] Aber was für ein herrliche Anblick bot sich mir dar! - In den prachtvollen ineinander greifenden Zimmern befanden sich die wundervollsten Möbeln! Da waren mit schweren Dammast überzugen Divans, Sophas und Lehnseßel in allen Farben auf dem glatten Fußboden aufgestellt, die Wände mit herrlichen Gemälden und großen vom Fußboden bis zur Decke reichenden Spiegeln ausgeschmückt und die hohen Fenster und Himmelbetten mit seidenen Gardinen behangen. [...] Einwohner waren allerdings außer dem Hauswirthe und dem Wirtschaftspersonale nicht mehr zu finden, statt deßen fand ich aber auf einer noch gedeckten Tafel in dem mir auserwähltem Zimmer kalte gebratene Hühner, verschiedene Flaschen Rothwein nebst Confitüren in menge stehen, daneben lagen mehre Paar silberner Meßer und Gabeln umher. Es schien mir, als wenn die Bewohner erst kurz vor unserm Eintreffen von hier in aller eile geflchtet seien. [...] An Leib und Seele gestärkt, begab ich mich zu dem Parterre wohnenden Hotelbesitzer um zu erfahren, wer mein Vorgänger gewesen, um ihm vielleicht später für das herrliche, so lange schon entbehrte Mittagsmahl danken zu können... [...] ....ging ich nun wieder die Treppe hinauf meiner Residenz zu. - Gelächter, Jauchzen und Lärmen tobte mir entgegen, als wenn der Teufel los gelaßen sei! Neugierig, die Ursache der übergroßen Heiterkeit zu erfahren, eilte ich schnurstracks über den Vorfall durch die Glasthür und was für eine Scene bot sich meinen Augen dar? - Die Hälfte der mir zugetheilten Mannschaft hatte theilweise Crinolinen übergeworfen; andere die schönsten Ballkleider aus rothem Tarlatan angelegt u. die prächtigsten künstlichen Blumenkränze, wahscheinlich in Paris verfertigt, aufgesetzt; der übrige Theil hatte theils französische, mit Gold u. Silber gestickte Militairmützen oder Morgenhauben aufgesetzt - kurz es war eine Ballgesellschaft, wie sie, in Betrett der Kostüme, gewiß nie auf einer Bühne gesehen wurde. - [...] Als wir unser Mittagsmahl, bestehend in gehacktem Rindfleisch und Brot eingenommen, begab ich mich mit meinen Leuten in den unermeßlich großen Weinkeller des Hauses, wo der Wirth unsre Feldflaschen mit Wein füllte. Mich mit Ersterem in ein Gespräch einlaßend, kamen wir auf die gegenwärtigen Verhältniße zu sprechen und Jener suchte mich auf alle mögliche Art und Weise zu überzeugen, daß nur der Kaiser Napoleon mit seinen Räthen, nicht aber das Volk Frankreichs an diesem unglückseligen Kriege die Schuld trügen, und - setzte er mit funkelden Augen und zusammengepreßten Fingern hinzu, - wenn es Ihnen möglich ist, diesem Hund von Bonaparte die Gurgel abzuschneiden oder ihm eine Kugel durch den Kopf zu jagen, so sollen Sie diesen ganzen Weinkeller, und was Sie hier sehen, das Ihrige nennen können! Ich mußte ihn die Hand darauf geben welche er krampfhaft drückte und versprach, mein Möglichstes zu thun; trank nun noch einige Gläser Wein und legte mich auf einem divan zum Schlafen nieder, welchem Beispiele fast sämmtliche anwesende Soldaten folgten. Plötzlich glaubte ich auf der Straße das Alarmsignal zu vernehmen; meine Ohren nicht recht trauend und noch halb im süßen Schlafe, lauschte ich noch einen Augenblick indem ich in meiner Lage verharrrte, und richtig! Da ertönte daßelbe an verschiedenen Stellen zugleich wieder. Nun war es aber Zeit, sich zu erheben. Ungewiß darüber, wie lange ich wohl geschlafen, da es bereits heler Tag war, erhob ich mich mit schwerem, glühenden Kopfe, denn der, vielleicht etwas zu viel genoßene Wein, schien seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Nun rüttelte ich auch, mich marschfertig machen, die Mannschaft aus dem festen Schlafe, und es verursachte mir wahrlich nicht wenig Mühe, die müden Schläfer welche in langer Zeit nicht so weich gelegen hatten, auf die Beine zu bringen. Indem ich nach meiner Uhr sah, gewahrte ich zu meiner größten Verwunderung, daß sie erst am Nachmittage des 16. August 3 1/2 Uhr anzeigte u. mithin hatten wir also kaum 2 Stunden geschlafen. Was mag dieses Alarmsignal für eine Bedeutung haben? Sollen die Wachen abgelöst werden, ob wir wohl bald nach hier zurückkehren? - so fragte man sich gegenseitig, und geordnet, eilte ich im Sturmschritt mit meiner Colonne dem Alarmplatze zu. Hier sollten wir zu unserm größten Mißbehagen die uns Allen gar nicht angenehme Nachricht empfangen, daß der Weitermarsch auf Metz fortgesetzt würde. - Da nun der Feldsoldat sich leicht in alle Verhältnisse finden muß, so machte bald die fröhlichste Laune allen schiefgezogenen Gesichtern Platz und lustige Vaterlandslieder singend, marschirten wir durch das Thor auf der Landstraße weiter. [...] ...welche Nachricht denn auch gleich darauf von unserm Bataillonscommandeur durch folgende, an uns gerichtete Worte bestätigt wurde: "Kinder!" Hub er an, "Unsre Truppen, worunter auch die beiden andern Bataillone unsres Regiments, sind heute scharf mit dem Feinde zusammengekommen, die Sache steht nicht ganz gut, wir müßen auf der Huth sein. Macht Euch darauf gefaßt, jeden Augenblick vom Feinde angegriffen zu werden. [...] Wer hatte wohl heute von uns an eine Schlacht gedacht... [...] Da fuhren schon auf der breiten Chaußee, an welcher wir unmittelbar Aufstellung genommen, mehrere Wagen voll verwundete in die Stadt, die weniger schwer Verletzten suchten zu Fuß dieselbe zu erreichen. mehre Brandenburger, welche an Kopf und Armen verwundet waren, erzählten mir auf mein Befragen, daß sie nach mehrstündigem heißen Kampfe - in welchem die Franzosen einen Kugelregen gegen sie gesandt, wogegen Königgrätz ein Kinderspiel gewesen, - bereits am rechten Flügel gesiegt, da sei der Feind aber nochmals mit einer coloßalen Ubermacht vorgedrungen, welcher sie, schon ganz erschöpft, nicht hätten Stand halten können. [...] (Jetzt ertönte von der Stadt her ein lautes Getöse, eine Durcheinanderlaufen sonder Gleichen. Aus den, in wildem Chaos gerufenen Worten hörte man heraus: "Der Brunnen ist vergiftet, werft ihn hinein, werf ihn hinein!" - Mein Gott! sollte denn dieser so vergnügt verlebte Tag mit nichts als Kampf, Mord und Vergiftung enden! Man erzählte, der Maire der Stadt habe den Brunnen vergiftet und seine bei letzerem bereits Posten aufgestellt, welche verhindern sollten, daß Waßer aus dem selben geschöpft werde.) [...] - So endete der so denkwürdige 16. August der Tag der Schlacht bei Mars la Tour!"

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