Extra - Blatt zum Melsungener Wochenblatt.

Bordeaux,
1. März, Nachts. Die National=Versammlung nahm die Ratisikation
der Friedens=Präliminare mit 546 Stimmen gegen 107 Stimmen an.


Friede! Friede!


Friede! Friede! Wonnelaut,

Welcher jedes Herz erhebt,

Friede, der wie Sonnenschein,

Ueber Deutschlands Fluren schwebt,

Der allein zu leben weckt,

Was jetzt öde, was jetzt wüst,

Sei mit deinem Himmelsstrahl

Innigfroh von uns begrüßt.


Sieh' wir haben dich ersehnt

Mit erwartungsfrohem Blick,

Endlich kehrt nun doch einmal

Unser Heer mit Dir zurück.

Dieser Krieg was uns verhaßt,

Und in seinem Ungestüm

Sahen wir ihn bangend nahn,

Haß und Abscheu folgen ihm.


Zwar der Sieg ist uns verliehn

Und der Feind zurückgeschreckt,

Doch mit Wunden ohne Zahl

Ist das deutsche Volk bedeckt.

Wer ermißt die Thränenfluth,

Die so manches Aug' vergoß,

Wer die Menge edlen Bluts,

Das dahin in Strömen floß.


Bald zum festlichen EMpfang

Ist geschmückt ein jedes Haus,

Viel der Arme strecken sich

Sehnen nach den Kriegern aus:

Wehe, unter Fröhlichen

Werden Viele jammernd stehn,

Viele die umsonst erhofft

Hier ein frohes Wiedersehn.


Denn dem Sinnbild uns'res Ruhms,

Uns'res Bandes, das geeint,

Bleibt die Mutter beigesellt,

Welche ihren Sohn beweint,

Beigesellt der Kinder Schaar,

Die den Vater jäh verlor,

Ach, das deutsche Einhaitsband

Ward für sie zum - Trauerflor.


Aller Siege Hochgenuß,

Der so reich mit Blut bezahlt,

Aller Schlachten Siegesglanz,

Der das deutsche Volk umstrahlt,

Das Bewußtsein uns'res Rechts,

Die Trophäen die ich seh',

Stillen, tilgen nimmermehr

Jenes unbegrenzte Weh.


Darum, Friede, Wonnelaut,

Welcher jedes Herz erhebt,

Friede, der wie Sonnenschein,

Ueber Deutschlands Fluren schwebt,

Der allein zu Leben weckt,

Was jetzt öde, was jetzt wüst,

Sei mit deinem Himmelsstrahl

Innigfroh von uns begrüßt!


G. D.


Lokales. ws Melsungen, 28. Febr. 1871. Nachdem gestern Nachmittag die
Nachricht von dem Abschluss der Friedens=Präliminarien dahier
eingetroffen war, beeilte sich die Bevölkerung hiesiger Stadt in
geeigneter Weise der Freude über das Ende des blutigen Kampfes
Ausdruck zu geben. Ueberall wallten von den Häusern bunte Fahnen
und ein jedes Haus wurde zu einer allgemeinen glänzenden
Illumination vorgerichtet. Gegegn 6 1/2 Uhr Abends riefen
sämmtliche Glocken der Kirche die Theilnehmer an dem bereits
vorgerichteten Fackelzuge an dem Viadukte vor der Stadt zusammen, wo
dieselben Stellung nahmen. Gegen 7 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung.
Hinter dem von zwei Fackelträgern begleiteten Zugführer
folgte die Schuljugend in langem Zuge mit bunten Laternen und
schulenweise von je 2 Lehrern geführt. Demnächst folgte Herr
Landrath Freiherr von Richthofen und Herr PFarrer Stübinger,
worauf die städtischen Behörden, die königlichen
Beamten, der Verein "Concordia", die Zünfte und übrigen
Theilnehmer am Zuge sich anschlossen. Auf beiden Seiten gingen
zahlreiche Fackelträger. Nachdem der Zug sich durch
sämmtliche Straßen der Stadt unter Absingung
vaterlänischer Gesänge bewegt hatte, stellte sich derselbe
auf dem durch die glänzende Illumination und die Laternen der
Kinder hell erleuchteten Marktplatze vor der für die Redner
errichteten Tribüne auf. Nach Absingung des Liedes "Nun danket
alle Gott" bestig der Herr Pfarrer Stübinger die Tribüne und
sprach zu der Versammlung, indem derselbe die Weorte des eben
gesungenen Liedes seiner Rede (Welche nachstehend wörtlich folgt)
zu Grunde legte. Hierauf folgte Absingung des Liedes "Heil Dir im
Siegerkrank", worauf Herr Landrath Freiherr von Richthofen eine Rede
hielt, welche derselbe mit einem lebhaft von der Menge beantworteten
"Hoch" auf Se. Majestät den Kaiser schloß und sodann wurde
durch den Sängerverein "Conkordia" das schöne Lied
"Deutschland spricht, mein ist der Rhein" und schließlich von der
Menge "Die Wacht am Rhein" angestimmt und hiermit die Festlichkeit
geschlossen. Der Abend vereinte den größten Theil der
Theilnehmer in dem Saale des Gasthauses "Zum Prinzen," wo im
verschiedenen Toasten noch das siegreichen Heeres und ihrer Führer
gedacht wurde.


Friedens=Rede.


Gehalten am Abend des 27. Februar 1871 vom Herrn Pfarrer Stübinger.


Nun danket Alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen, der große
Dinge thut, hier und an allen Enden, so ist das Lied aus 1000 Kehlen
gedrungen und gewiß hat's in 1000 Herzen nachgeklungen. In diesem
Liedesworte geben wir dem Hochgefühl der Freude über den
glorreichen Sieg, den uns der Herr verliehen und den kostbaren Frieden,
den er uns aus der Nacht des Kampfes und der Thränen als das helle
Morgenroth eines schönen Tages hat geboren werden lassen einen
würdigen Ausdruck. Unsere Freude kann und darf heute nicht
gleichen den wildtosenden Wassern, die gewaltsam den mächtigen
Damm durchbrechen, denn das millionenfache Elend des Krieges, dessen
Folgen noch bitter und shcmerzlich genug nachempfunden werden
dürften von ganzen Völkern, die als die Ersten nur in den
Künsten des Friedens hätten wetteifern sollen, wirkt zu
erschütternd auf jedes deutsche Gemüth, als daß sich
nicht den Freudenklängen ein heiliger, ernster Ton zugesellen
sollte, das ist die heilige Scheu, in der wir heute hinaufschauen zum
THrone der Allgewalt dessen, der gewaltige Reiche mit einem Male
erschüttern, stolze Throne über Nacht stürzen und
hinwiederum ein Volk aus dem Staub der Niedrigkeit plötzlich zur
herrlichen Größe erheben kann, der in alledem den
ausgereckten Arm seiner Gerechtigkeit sichtbar offenbart, aber aber in
dieser Gerechtigkeit zugleich seine unverdiente Gnade, wonach er ein
ganzes Volk in den Schmelztiegel der Trübsal wirft, damit darin
geläutert eine herrliche geistige Wiedergeburt feiern könnte.
Darum wallt der Opferduft unserer heiligsten und ersten
Dankgefühle hinauf zum Thron der Majestät Gottes. Aber wir
gedenken heut auch in gerührter Liebe des erlauchten Fürsten,
des Wiederherstellers deutscher Macht und Größe, wie er
hinauszog mit seinen Kindern in den Krieg und in seinem hohen
Greisenalter alle schweren Sorgen, Mühen und Gefahren desselben
ständhaft mit seinen Heeren trug; wir gedenken seiner hohen
Staatsmänner, Feldherrn und tapferen Heere, die Gott als Werkzeuge
seiner herrlichen Gnade bestimmt hat, besonders gedenken wir in tiefer
Rührung der Tausende, die Blut und Leben geopfert haben auf den
heiligen Altären des Vaterlandes. Sie sind fortgezogen aus der
Heimath, haben sich unter vielen Sorgen und Thränen losgerissen
von Vater und Mutter, Weib und Kind, Bruder un Schwester und Freund,
haben wie Löwen gestanden unter dem Hagel der mörderischen
Geschossen, nicht um einzutreten blos für den eignen Herd,
für ihr eigen Weib und Kind, sondern im Dienst des großen
Allgemeinen, sie haben mehr gekämpft für die Zukufnt als
für die Gegenwart, mehr für das weitere Vaterland, dessen
Söhne zerstreut sind in allen Welttheilen, als für das
engere, sie haben nicht gekämpft um blos irdische Güter,
sondern für das Heiligthum eines Volkes, für deutsches Recht,
deutsche Ehre, deutsche Sitte, deutsche Sprache, deutsche Treue,
deutschen Glauben, und wo die Kunde von dem Siege in aller Welt zu
deutschen Ohren und deutschen Herzen gelangen wird, da wird auch aus
freudig bewegtem Herzen ein: "Nun danket Alle Gott" hinaufgesandt
werden, und manche Thränen der Freude und Wehmuth fließen
zur Ehre der kämpfenden und gefallenen Brüder. Aber soll denn
die flüchtige Thräne der einzige Denkstein sein für die
gefallenen Brüder, die den zeitlichen Lorbeer nicht gefunden
haben? Nein! Wir wollen ihrer fort und fort gedenken in ihren verarmten
und verwaisten Familien, wir wollen bedenken, daß diese armen
Familien für Alle die, welche nicht in die Leiden des Krieges
verflochten waren, mitleiden, wir wollen ihre Noth mildern, ihre
Thränen lindern, bis sie Gott völlig abwischt, wir wollen sie
trösten, damit sie auch noch, wenn auch mit bebenden Lippen und
thränenfeuchtem Auge sprechen lernen: "Nun danket Alle Gott." Erst
dann, wenn dies feierliche Gelübde fest steht in unserem Herzen,
können wir uns der Freude des Sieges wahrhaft hingeben, mit dem
Vertrauen, daß der Herr ihn befestigen werde, dann allein wird
aus der blutigen Saat ein neuer Geistesfrühling erstehen, dann
erst dürfen wir hoffen, daß die äußere hohe
Stellung, die unser Volk errungen, sein wahrster Besitz ist, weil wir
hierzu innerlich reif geworden sind durch hohe Tugenden. Weil aber dies
Alles zu geben, nicht in unserer Macht liegt, so wenden wir uns noch
bittend nach oben:


Herr Du bist würdig zu nehmen, Preis und Ehre und Anbetung in Zeit
und Ewigkeit. Wer sollte Dich nicht fürchten, Du Heiliger, Du
König der Ehren, wer sollte Dich nicht ehren! Dir sei Dank
für diesen Sieg, Du hast ihn uns gegeben. Ach Herr bleibe bei uns,
hilf Herr, daß wir den Bund der Liebe und Treue im großen
Vaterlande, der mit blut besiegelt ist, nicht wieder durch die
Sünde der Selbstsucht zerreißen, giebin unserer Aller Herzen
den Geist hoher selbstverleugnender opferfreudiger Liebe, gieb uns
einen heilsamen Abscheu wider den Krieg, hilf, daß wir
niederkämnpfen den Krieg im Kleinen und den Frieden überall
suchen. Laß das Feld der Todten grünen und blühen,
tröste alle Bekümmerten, heile die Zerschlagenen, reiche den
Gefallenen für den zeitlichen Lorbeer, der die ewige Siegespalme
dort oben, wo Du willst abwischen alle Thränen von unsern Wangen
und kein Schmerz, kein Geschrei, kein Kampf und keine Thräne mehr
sein wird, denn das Alte ist vergangen. Amen!


Redigirt im Bureau des Königl. Landrathsamts. - Druck und Verlag von A. Bernecker in Melsungen